Kunstkommission Bern
Stellungnahme zu Punkt 4 des Vernehmlassungsfragebogens: Vierjahresplanung 2020–2023 der städtischen Kulturförderung
Zweckbindung und Höhe der einzelnen Budgets der direkten Förderung.
Kunstkommission:
Wir fordern CHF 532’500.– für die Kunstkommission. Diese setzten sich zusammen aus: CHF 317’500.– freie Kunstförderung (80’000.– bisher plus 237’500.– inkl. Arbeit); CHF 100’000.– Off-Spaces; CHF 60’000.– Stadtgalerie; CHF 25’000.– BONE; 30’000.– Kunstankauf
Wir wollen eine aktive und lebendige Kunstszene in Bern, die von der Stadt geschätzt und finanziell angemessen berücksichtigt wird.
Begründung:
Die freien Mittel für die Kunstkommission werden von CHF 200’000.– auf CHF 225’000.– erhöht. In Anbetracht der a) zu leistenden Aufgaben dieser Kommission, b) des effektiven Bedarfs der bildenden Kunst, c) der Forderung an den Szenegesprächen und d) im Vergleich zur Etaterhöhung ist dieser Betrag allerdings erheblich zu tief und e) verpasst eine überfällige Anpassung.
- Die als freie Mittel klassierten Gelder der Kunstkommission sind effektiv nur mit Einschränkung frei verfügbar. Von den CHF 200’000.– fliessen im Moment CHF 60’000.– an die Produktionskosten der Stadtgalerie, CHF 20’000.– sind für alternative Kunsträume, Off-spaces und Artist-run-spaces reserviert und ungefähr CHF 18’000.– fliesst als Unterstützung an das grösste nicht-institutionelle von der Kunstkommission mitfinanzierte Projekt BONE, sowie nochmals ungefähr dieser Betrag an Kunstankauf durch die Stadt. Die Kommission verfügt also nur über knapp CHF 80’000.– um Kunstschaffende, deren Werke und Ausstellungen lokal wie auch national zu unterstützen. Nur eine Auswahl der Gesuche werden unterstützt. Dabei handelt es sich meist um aufwändige Ausstellungen und Grossprojekte, die Wochenlange Planung, Recherche, Aufbau und Koordination beinhalten, die mit grösseren Produktionen anderer Sparten vergleichbar sind. In Anbetracht der Anzahl Kunstschaffenden, Ausstellungen, Initiativen und Projekte kann dieser Betrag nur ansatzweise Kunstschaffen unterstützen.Mit CHF 200’000.– sind die Kunstkommission und die Literaturkommission im Vergleich zur Musik (CHF 615’000.–) und dem Theater/Tanz (CHF 1’000’000.–) finanziell gering ausgestattet.
. - Zur Zeit veranstalten 10–15 Off-Spaces und Initiativen ein reichhaltiges und aufwändiges Ausstellungsprogramm mit einer Vielzahl an lokalen bis internationalen Kunstschaffenden. Diese Projekte sind nicht kommerziell aber befinden sich vielfach in einer sehr prekären finanziellen Situation. Das diesen Projekten zufliessende Geld (CHF 20’000.–) reicht nicht aus, um Reisen, Transportkosten, Material und Kommunikationsaufwände zu bezahlen. Die Arbeit der Kunstschaffenden, die nicht selten vergängliche, nicht verkaufbare Projekte umsetzen, als auch der Betreiberinnen und Betreiber ist weitgehend unbezahlt, was längerfristig finanziell nicht tragbar ist. Einmalig wurde der Betrag 2018 von CHF 20’000.– auf CHF 70’000.– erhöht. Selbst dieser Betrag deckt längst nicht alle Kosten. Den Off-Spaces, die durch zusätzliche Gesuche bei Stiftungen und Kanton den Förderunterstützung multiplizieren, muss konstant ein Betrag von CHF 100’000.– zukommen. Die beschriebene Situation der Off-Spaces steht exemplarisch für alle Bereiche in den bildenden Künsten.
. - In den Szenegesprächen wurde eine Erhöhung des freien Budgets der Kommission (exklusive des Betrags Stadtgalerie, Off-Space, BONE und Kunstankauf) auf CHF 300’000.– gefordert. Rund 30–35 grössere Projekte und Ausstellungen werden jährlich durch die Kunstkommission gefördert mit Beträgen, die das Material knapp decken. Durchschnittlich arbeiten 1–2 Personen während 2–4 Wochen an diesen Projekten. Wird diese Zeit berechnet und analog der Praxis im Theater mit einer Wochenpauschale von CHF 1’250.– vergütet[1], dann gibt das eine zusätzliche Forderung von CHF 237’500.– (30–35 Projekte x 1–2 Personen x 2–4 Arbeitswochen x CHF 1’250.– Wochenpauschale). Dazu kommen die bisherigen Materialbeiträge von rund CHF 80’000.– (vgl. effektive freie Mittel).[2]
. - Die Festlegung der Beträge für die folgende Periode stützt sich einerseits auf die vorangehenden Förderbeträge und andererseits auf das Total der in den Gesuchen geforderten Beträge im Jahr 2017. Diese Praxis hat in der bildenden Kunst zwei grundsätzliche historische und strukturelle Probleme: 1. Die Förderung in der bildenden Kunst ging lange davon aus, dass der Künstlerin/dem Künstler am Ende ein Werk zur Verfügung steht, das verkauft die Kosten für Aufwand und Arbeit deckt. Mehr und mehr hat sich eine künstlerische Praxis von einem vermarktbaren Produkt entfernt in Richtung prozessorientierter, ephemerer, recherchenbasierter, experimenteller, ortsspezifischer Kunst.[3] Selten lässt sich diese Kunst verkaufen, kaum je deckt es die gesamten Aufwände. Der ungedeckte Betrag wird durch andere Jobs quersubventioniert oder ist Selbstausbeutung der/des Kunstschaffenden. 2. Die Praxis fast ausschliesslich für Materialaufwand nicht aber für Arbeit ein Gesuch zu stellen, wurde über viele Jahre durch die Kunstförderung in ihrer Beitragshöhe bestätigt, die nur Kleinstbeträge sprach bzw. eben sprechen konnte. So hat sich die Gesuchshöhe auf diesem viel zu tiefen Niveau eingependelt und hat zu dieser doppelten Benachteiligung geführt. Das Einzelunternehmertum Kunst hat mit Visarte zudem eine sehr schwache Interessensvertretung, die sich keine kollektive Stimme (mehr) gewohnt ist.
. - Vergleicht man beispielsweise im Referenzjahr 2016 die total geforderten Beiträge an die Kommission prozentual mit den zugesprochenen Beträgen wird ersichtlich, dass in der neuen Vernehmlassung eine notwendige Korrektur verpasst wurde. In der Kunst wurden 42% der total geforderten Beträge gesprochen, im Theater 46%, in der Musik 49% und in der Literatur 60%.[4]
Die Abwanderung zahlreicher Kunstschaffender nach Zürich oder Basel ist nicht zuletzt eine Folge aus diesen finanziell schwierigen Umständen. Die Förderung durch die Stadt ist die wichtigste und bedeutendste Förderung für die Bildende Kunst in Bern. Jetzt besteht die Möglichkeit und Dringlichkeit, die stossende Benachteiligung zu korrigieren. Es ist an der Zeit endlich eine überfällige Korrektur wahrzunehmen. Die Kommission Kunst muss deutlich mehr Mittel zur Verfügung haben, bevor neue grosse Finanzierungstöpfe geschaffen ober bestehende zusätzlich alimentiert werden, die ausserhalb von Kommissionen geführt werden (vgl. Neu: Promotion und Distribution plus CHF 150’000.–; Infrastrukturen Altstadt plus CHF 100’000.–; Ateliers und Infrastrukturen plus 221’000.–; oder Ausserordentliche Beiträge plus 155’000.–)
Deshalb fordern wir CHF 532’500.– für die Kunstkommission. Diese setzten sich zusammen aus: CHF 317’500.– freie Kunstförderung (80’000.– bisher plus 237’500.– inkl. Arbeit); CHF 100’000.– Off-Spaces; CHF 60’000.– Stadtgalerie; CHF 25’000.– BONE; 30’000.– Kunstankauf)
Wir wollen eine aktive und lebendige Kunstszene in Bern, die von der Stadt geschätzt und finanziell angemessen berücksichtigt wird.
Herzlichen Dank!
Franz Krähenbühl
[1] Oder mit dem branchenüblichen Ansatz nach Visarte CHF 60.–/h
[2] Im Vorwort des Stadtpräsidenten (S. 2) wird gefordert, dass die Arbeit der professionellen Kunstschaffenden besser anerkannt werden soll, faire Arbeitsbedingungen gelten und Förderbeiträge branchenüblichen Gagen entsprechen sollen.
[3] Diese Erweiterung des Kunstbegriffs wurde in Szenengesprächen thematisiert und in der Vernehmlassung aufgenommen vgl. S. 5 «…wurde der Kulturbegriff geweitet und die Förderung vermehrt auf die heutigen Anforderungen ausgerichtet». Weiter will die Kulturförderung «neue Arten von Kultur unterstützen, vermehrt gemeinsam, spontan produzierte Kultur ermöglichen..» (S. 8).
[4] Vgl. Tätigkeitsbereicht 2016, Abteilung Kultur Stadt Bern, S. 12.