Ich lade ganz kurz ...

Bern als Basislager (TagesAnzeiger-Split Bern vom 6. März 2024)

Was vor zehn Jahren als vielver­sprechende Basis­be­we­gung begann, hat sich heute etabliert: die beschauliche Bern­er Haupt­stadt hat sich zum kul­turellen Basis­lager der Schweiz gemausert.

Am 6. März 2014 trafen sich über zwei­hun­dert Kul­turschaf­fende, ‑funk­tionärin­nen, ‑poli­tik­er und weit­ere kul­turell inter­essierte Men­schen im Bern­er Kul­trzen­trum Pro­gr zur ersten “Bern­er Kul­turkon­ferenz”. Aus ein­er gewis­sen Frus­tra­tion über die offizielle stadt­bernische Kul­tur­poli­tik haben die drei Kul­tur­ak­teure Car­o­la Ertle, Bern­hard Giger und Lukas Vogel­sang die Ini­tia­tive zur “Basis­be­we­gung” der Bern­er Kul­turkon­ferenz ergrif­f­en. Es sollte “um Inhalte, statt um Geld” gehen. Obwohl die Diskus­sio­nen an dieser ersten Kul­turkon­ferenz dann doch immer wieder um die fehlen­den, unzure­ichen­den oder falsch verteil­ten Finanzmit­tel kreis­ten, wurde eine ungeah­nte Dynamik angestossen.

Das Basis­lager steht

Was ander­norts Not täte, gelang glück­licher­weise in Bern schnell: nach­dem man sich an der ersten Kul­turkon­ferenz noch teils gehäs­sige Voten, gegen­seit­ige Anschuldigun­gen, unre­flek­tierte bis gar illu­sion­is­tis­che Forderun­gen anhören musste, gelang es wun­der­samer­weise ein gemein­sames “Feuer” zu ent­fachen. Vor­bei die Sticheleien gegen die bei vie­len Kul­turtätern ungeliebte Kul­tursekretärin und den leut­seli­gen Stadt­präsi­den­ten, vergessen das gegen­seit­ige Ausspie­len unter den Kul­turin­sti­tu­tio­nen an den öffentlichen Fördertöpfen. Heute, zehn Jahre nach der ersten Kul­turkon­ferenz, darf man sagen: “Das Basis­lager der Kul­tur ste­ht in Bern”:

  • In Bern beste­ht ein bre­it­er Kon­sens darüber, dass alle Kul­tursparten und ‑Akteure gle­icher­massen rel­e­vant und berechtigt sind. Dies zeigt sich in zahlre­ichen, span­nen­den Branchen- und Sparten-über­greifend­en Pro­jek­ten wie beispiel­sweise dem “Kul­tur­film­monat” der kom­merziellen Kinos mit den alter­na­tiv­en Stu­diofilm-Häusern, dem bre­it aus­ge­baut­en Kul­turver­mit­tlung­spro­jekt “CultKids” der Stadt­bern­er Schuldirek­tion oder dem “Lit­er­arischen Gren­zweg” von Stadtthe­ater, Bern­er Buch­hand­lun­gen, lokalen Slam-Poet­en und Schrift­stellern, welch­es Wortkul­tur von Migranten mit Ur-Bern­ern ver­webt und pflegt.
  • In Bern haben sich endlich “Bil­dung” und “Kul­tur” gefun­den: über die let­zten Jahre wur­den im Bern­er Basis­lager qua­si “gemis­chte Seilschaften” zwis­chen Bil­dungs- und Kul­turbe­hör­den geknüpft, welche es ermöglichen, dass Kul­turver­mit­tlung nicht nur in der Pri­marschule echt inte­gri­ert wurde son­dern zahlre­iche gemein­same Kul­tur­pro­jek­te zwis­chen Bil­dungs- und Kul­turtätern möglich wurden.
  • In Bern haben sich die im Stadt­par­la­ment vertrete­nen Parteien auf eine “Kul­tur-Char­ta” geeinigt, welche auch hier ein bre­ites und offenes Kul­turver­ständ­nis bestätigt und vor allem garantiert, dass die poli­tisch ges­teuerten Behör­den im Bau‑, Bildungs‑, Wirtschafts- und Kul­turbere­ich die Kul­tur­poli­tik als gemein­same, direk­tion­süber­greifende Auf­gabe ver­ste­hen und leben. Gle­ichzeit­ig haben sich alle Parteien darauf verpflichtet, die Kul­turkred­ite der Stadt dreis­sig Jahre lang nicht zu kürzen.
  • In Bern wer­den öffentliche Kul­turbeiträge nur noch in die direk­te Kul­tur­pro­duk­tion investiert — nicht mehr in bauliche oder tech­nis­che Infra­struk­tur. Die Arbeit­szeit der Kul­turschaf­fend­en wird direkt unter­stützt. Die baulichen und tech­nis­chen Rah­menbe­din­gun­gen wer­den über die entsprechen­den Fachdi­rek­tio­nen und Bau- bzw. Infra­struk­tur­pro­jek­te abgedeckt oder von pri­vat­en Spon­soren gedeckt. Dass nun das Logo der “Mobiliar”-Versicherung am Stadtthe­ater prangt stört in Bern nie­man­den — die The­ater­profis kön­nen sich auf ihr “Kerngeschäft” konzen­tri­eren weil die Ver­sicherung einen wesentlichen Teil der Infra­struk­turkosten übern­immt und alle freuen sich über noch mehr The­aterbe­such­er, weil der Konz­ern seine Kun­den zu Hun­derten in die Vorstel­lun­gen bringt.

Bern­er Unternehmer als Basislageristen

Aus­ge­hend vom Ziel­bild “Bern als Basis­lager” der Kul­tur, for­muliert vom Bern­er Unternehmer Peter Stämpfli fan­den sich in den let­zten Jahren ver­schiedene Unternehmer der Gruppe “Fokus Bern” in ein­er inno­v­a­tiv­en Kul­tur­förderini­tia­tive zusam­men und lancieren seit 2018 zahlre­iche, durch die jew­eili­gen Unternehmen lancierte und vol­lum­fänglich finanzierte Förder­pro­jek­te. Vom “Preis für das Polit-Com­ic des Jahres” des rühri­gen Polit-PR-Profis Lorenz Fur­rer über das jährliche “Kun­st-Waren­haus” des Tra­di­tion­swaren­haus­es Loeb, die Förder­stipen­di­en für Kul­turver­mit­tel­nde der Sparten Tanz, Lit­er­atur und The­ater der Rehau-Gruppe bis zum “Kul­turlift” der Emch AG existiert heute in Bern eine bunte Vielfalt ver­schieden­ster pri­vater Kul­tur­pro­jek­te, die alle nach klaren Kri­te­rien funk­tion­ieren: die Kun­stschaf­fend­en haben jegliche Frei­heit­en, die definierten Ziele und Kri­te­rien wer­den durch unab­hängige Gremien geprüft und die Gelder ohne direk­te Gegen­leis­tun­gen aus­geschüt­tet. Die Bern­er Unternehmer von “Fokus Bern” haben begrif­f­en, dass regionales Kul­tur­spon­sor­ing die Entwick­lung der eige­nen Unternehmen pos­i­tiv bee­in­flusst. Sie fungieren gle­ich­sam als “Lageris­ten”, engagieren sich die Unternehmer doch auch ganz direkt und per­sön­lich im Bern­er Kul­turleben und bee­in­flussen so die “Kul­tur­l­ogis­tik” pos­i­tiv.…eine naive Utopie? Na wer weiss — man wird ja wohl noch spin­nen dürfen…!